Wing Tsun

250 Jahre Kampfkunst in einem Schlag

Wing Tsun fängt an,

Wo der Unterschied aufhört

WingTsun (WT) ist ein weicher Kung Fu-Stil. In den Kampfkünsten unterscheidet man grundsätzlich zwischen weichen und harten Stilen.
Dabei setzen die harten Stile durch Blocktechniken der Angriffsenergie des Gegners Kraft entgegen. Sie bevorzugen hohe Tritte und Beintechniken; die Kämpfer sind sehr athletisch und akrobatisch. Vertreter dieser Stile sind unter anderem Karate und traditionelles Shaolin Kung Fu.

Weiche Stile – z. B. Aikido und WingTsun – leiten die Angriffsenergie um und verwenden sie gegen den Angreifer. Der Fokus liegt hier auf dem Nahkampf, d. h. der Faust- und Ellenbogendistanz. Dementsprechend werden eher tiefe Tritte (z. B. zum Knie) oder Fußfeger eingesetzt.
Während in den harten Stilen erst eine Abwehr oder ein Block erfolgt, bevor der Gegenangriff gestartet werden kann, ist im WingTsun die Abwehr zugleich der Gegenangriff.

WT ist eine konsequente Form waffenloser Selbstverteidigung. Sich wirklich selbst verteidigen zu können, bedeutet niemals auf Mäßigung oder Einsicht eines Angreifers vertrauen zu müssen, sondern in jeder Situation dessen Handlungsunfähigkeit bewirken zu können. WingTsun setzt deshalb sämtliche möglichen Mittel ein, um den Angreifer an den empfindlichsten Stellen so hart wie möglich und auf mehreren Ebenen gleichzeitig zu treffen. Dem Angreifer bleibt so keine Zeit, seinen Angriff zu organisieren.
Fairness spielt keine Rolle, wenn es darum geht, seinen Körper oder sein Leben zu verteidigen. Wenn es um Selbstverteidigung geht, dürfen Muskelkraft und artistisches Können nur von untergeordneter Bedeutung sein, denn meist sind es die körperlich Schwächeren, die Übergriffen und Bedrohungen ausgesetzt sind.

Das WT-System bedient sich einfacher Prinzipien, natürlicher körperlicher Anlagen und instinktiver Reaktionen (Reflexe), die sich jeder Mensch durch regelmäßiges Training aneignen kann. WT lehrt, die Kraft des Angreifers durch kontrolliertes Nachgeben zu nutzen und gegen ihn selbst zu richten. Die angegriffenen Körperteile werden „aufgeladen“ und geben fast ohne eigenes Zutun die Kraft des Gegners unverbraucht und mit ganzer Wucht zurück. Die beteiligten Körperpartien müssen unmittelbar und reflexartig in der Lage sein, entsprechend auf Impulse zu reagieren. Deshalb sind es die taktilen Reflexe, die im WT besonders trainiert werden (Chi-Sao), damit im richtigen Augenblick ein Nachgeben, ein Reagieren oder ein entschlossener Gegenangriff ohne Überlegen geschehen kann. Hierfür bedarf es natürlich regelmäßigen Trainings über einen längeren Zeitraum.

Strategie zur Verteidigung

Blitz Defence

Blitz Defence ist ein Selbstverteidigungsprogramm, das die unterschiedlichen Gefahrensituationen berücksichtigt, in die Frauen und Männer geraten. Nach wie vor gilt: Der beste Kampf ist der, der nicht geführt wird. Deshalb legt Blitz Defence großen Wert auf Deeskalation und verbale Konfliktentschärfung. Erst wenn klar ist, dass ein Angriff unmittelbar bevorsteht und es keine Fluchtmöglichkeit mehr gibt, darf zugeschlagen werden.

Blitz Defence wurde von Großmeister K.R. Kernspecht auf Grundlage des WingTsun-Systems entwickelt. Es bedient sich Grundideen und Techniken des WingTsun, dient jedoch speziell der Selbstverteidigung in alltäglichen Bedrohungssituationen, die in realistischen, rollenspielartigen Partnerübungen trainiert werden. Je nach Schülergrad werden u. a. Lösungen gegen einfache Schläge, Tritte, Armentfesselungen, Stockangriffe oder mehrere Angreifer erlernt.

Für die Selbstverteidigung von Frauen sind besonders Techniken gegen Festhalten, Würgen oder gegen Situationen, in denen man vom Angreifer bereits auf den Boden geworfen wurde, relevant.

Darüber hinaus geht es bei Blitz Defence darum, Gefahrensituationen, Angriffshaltungen und -distanzen einschätzen zu lernen: Wann ist der Angreifer außerhalb meiner Reichweite, wann in Tritt- oder Schlagdistanz.

Um die eigenen Grenzen einem Angreifer gegenüber wirkungsvoll verteidigen zu können, muss man aber zunächst lernen, diese Grenzen wahrzunehmen und vor sich selbst zu respektieren. Das ist die Grundlage für jede Form von Selbstverteidigung.

Unter blitzdefence.com hat die EWTO eine umfangreiche Internetseite zu diesem Thema eingerichtet.

Selbstbehauptung für Kinder

Kids Wing Tsun

Die Fähigkeit, sich gegenüber anderen durchsetzen zu können, fällt selbst Erwachsenen oft sehr schwer. Für Kinder wird es heute immer wichtiger, sich angemessen im Alltag zu behaupten oder wenn nötig, sich zu verteidigen.

Eine unüberschaubare Anzahl an Kursen zur Selbstverteidigung wird heute angeboten! Der Inhalt solcher Kursangebote ist zum Teil sehr unterschiedlich. Ein in sich geschlossenes Angebot bietet nun die WingTsun Akademie an. Um dem jeweiligen Entwicklungsstand der Kinder und Heranwachsenden gerecht zu werden, bietet die Akademie Kids WingTsun für die Altersklassen 6 bis 12 Jahre und 12 bis 14 Jahre an.

Zu den Inhalten gehören unter anderem Koordinations-, Balance- und Konzentrationsübungen. In Rollenspielen werden den Kindern ein aktives Gangbild und eine überzeugende Mimik und Gestik vermittelt. 

In Ausnahmesituationen, in denen Beruhigungsversuche nicht ausreichen, dem Aggressor Einhalt zu gebieten, lernen die Kinder präventiv zu reagieren. Ein weiteres Ziel des Unterrichts ist es, dem Bewegungsdrang der Kinder Rechnung zu tragen, unter anderem finden freundschaftliche und kontrollierte Spiele zur Förderung des Gelernten statt.

Das Unterrichtsprogramm ist in Zusammenarbeit mit verschiedenen Experten wie z. B. Erzieherinnen, Polizeibeamten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und verschiedenen Händigkeitsberaterinnen entstanden.

Geschichte des Wing Tsun

Entstehung einer Kampfkunst

WingTsun wurde in China vor ca. 250 Jahren entwickelt. In China hat Kampfkunst eine sehr alte Tradition, da das Land immer wieder von angrenzenden Völkern überfallen wurde. Angesichts des andauernden Kriegszustandes war das Beherrschen einer Kampfkunst auch für Zivilpersonen lebensnotwendig.
Die Legende von der Entstehung des WingTsun kennt viele Varianten und Nuancen. Obwohl ihre Details mittlerweile historisch widerlegt sind, erzählt sie doch eine faszinierende Geschichte:

Zur Zeit der Ching-Dynastie fürchtete die amtierende Kanghsi-Regierung die widerständigen Mönche des Shaolin-Klosters von Sung Shan wegen ihrer berühmten Kung Fu-Kunst. Um zu verhindern, dass sich die Mönche mithilfe der mächtigen Kampfkunst gegen die Regierung richteten, ließ diese das Kloster zerstören und die Mönche töten. Einige wenige von ihnen konnten jedoch fliehen. Unter ihnen war eine Frau, die Nonne Ng Mui, die auch eine Meisterin des Kung Fu war.

Ng Mui versteckte sich in einem Tempel am Berg Tai Leung. Dort entwickelte sie ein neues Kampfkunst-System, das sich gegen die zu der Zeit vorherrschenden Kung Fu-Stile richten sollte. Es sollte auch Schwächeren ermöglichen, sich gegen die kraftintensiven Stile zu verteidigen.
Eines Tages beobachtete sie einen Kranich, der gegen einen Fuchs kämpfte. Der Kranich richtete sich immer wieder mit seinem Schnabel zum Fuchs aus, wehrte die Pfotenhiebe mit dem Flügel ab und griff den Fuchs dabei gleichzeitig mit dem Schnabel an. Aus dieser Beobachtung gewann Ng Mui die Grundidee ihres neuen Systems.

Die erste Schülerin, die Ng Mui in ihrer Kunst unterrichtete, hieß Yim WingTsun (Schöner Frühling). Nach ihr benannt, bekam die neue Kampfkunst einen Namen. Yim WingTsun gelang es mithilfe dieser Kampfkunst, einen gefürchteten Schläger in ihrem Dorf, der sie begehrte und belästigte, zu besiegen. Sie gab die Kampfkunst der Tradition folgend innerhalb ihrer Familie weiter.

Nach Yim WingTsun ging die Kampfkunst anscheinend sofort in Männerhände über. Zumindest findet sich im Stammbaum des WingTsun – soweit bekannt – und allen weiteren Geschichten nach kein einziger Frauenname mehr.

Yip Man (1893-1972) war der letzte unangefochtene Großmeister des WingTsun. Seine Schüler gründeten ihre eigenen Schulen und Organisationen und entwickelten den Stil in verschiedene Richtungen weiter.

Der Stil, der heute von der EWTO gelehrt wird, geht auf Yip Mans letzten Meisterschüler Leung Ting zurück, den heutigen Vorsitzenden der International WingTsun Association (IWTA). Von diesem lernte auch Großmeister Keith R. Kernspecht das WingTsun-System und führte es in Europa ein, wo es heute mehr Verbreitung gefunden hat als in China.
GM Kernspecht reformierte für seine europäischen Schüler die chinesische Unterrichtsmethode und führte die heutigen Schülerprogramme und Graduierungen ein.